Edward S. Curtis und Will Wilson im KUNSTWERK Sammlung Klein, 5. Februar bis 30. Juli 2023
Das KUNSTWERK Sammlung Klein in Eberdingen-Nussdorf eröffnet am 5. Februar die neue Ausstellung “… als würden allein diese Bilder bleiben”. Sie vermittelt mit zwei künstlerischen Positionen in zeitlichem Abstand von rund 100 Jahren unterschiedliche Perspektiven auf die Darstellung und Wahrnehmung der “Indianer” Nordamerikas. Rund 60 Fotogravuren, historische Fotoabzüge und seltene Goldtone Prints von Edward S. Curtis (1842-1952) stehen in Dialog mit Werken des in Santa Fe lebenden Multimediakünstlers Will Wilson (*1969), der selbst Angehöriger der Navajo/Diné-Nation ist.
Welche Bilder haben wir im Kopf, wenn wir von “den Indianern” hören? Am Beginn der Ausstellung gibt das KUNSTWERK zunächst den Assoziationen und Erinnerungen der Besucher*innen Raum. Einige Exponate liefern Beispiele, die Gespräche im Vorfeld des Projektes widerspiegeln. Sie verweisen auf den großen Einfluss der Erzählungen von Karl May, aber beispielsweise auch auf Roger Willemsen, der mit poetischen Interpretationen darauf Bezug nimmt. Verschiedene Schulklassen steuern Zeichnungen zur Comic-Reihe Yakari bei. Das Panorama der Gedanken ist erweiterbar. Die Gäste der Ausstellung sind eingeladen, auch während der Laufzeit Beiträge einzubringen.



Mit den historischen Fotogravuren und Goldtone Prints von Edward S. Curtis wendet sich der Blick zunächst zurück. In den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts besuchte Curtis mehr als 80 indianische Nationen, um deren Kultur in Wort und Bild festzuhalten. Seine Feldforschungen fasste er zusammen in seiner 20-bändigen Enzyklopädie “The North American Indian”, die zwischen 1907 und 1930 erschien und von Mappen mit ausgewählten Aufnahmen ergänzt wurde.
Die schriftlichen Aufzeichnungen von Edward S. Curtis, mit denen er die Lebensweisen, die Bräuche und die Glaubenswelt der verschiedenen indigenen Gruppen Nordamerikas systematisch und differenziert darzustellen beabsichtigte, werden in der weiteren Wahrnehmung seines Werks von der eindrucksvollen, atmosphärischen Wirkung seiner Fotografien überstrahlt. Es sind malerische Bilder, die auch von Curtis’ Gabe der bildnerischen Dramaturgie zeugen. Die Wirklichkeit in den Reservationen, die zunehmende Assimilation und den Einfluss des modernen Lebens vor Augen, sah er – mit vielen Zeitgenossen übereinstimmend – die Kultur der indigenen Bevölkerung Nordamerikas im Verschwinden begriffen. So inszenierte er die Motive aus seiner Perspektive, auf Grundlage seiner eigenen Vorstellung dessen, was “typisch indianisch” sei. Gerade als Fotograf ging Curtis über das rein Dokumentarische hinaus, indem er in der Tradition des fotografisch-künstlerischen Piktorialismus atmosphärische Bilder schuf, die im Grunde die Verhältnisse vor der kulturellen Veränderung durch europäisch-amerikanische Einflüsse heraufbeschwören.



Der in Santa Fe lebende Multimedia-Künstler Will Wilson antwortet mit seinen Projekten auf das Erbe von Edward S. Curtis aus einer zeitgenössischen, indigenen Sicht. In seiner Arbeit setzt er sich kritisch mit dem stereotypen bildnerischen Kanon auseinander, der die Wahrnehmung der Native Americans, ihrer Kultur und ihres Landes bis heute prägt. Er greift überkommene Bildmuster und historische Verfahren der Fotografie auf, gibt ihnen jedoch eine zeitgenössische Inhaltlichkeit. Gerade indem Wilson eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlägt, ist es ihm möglich, eine künstlerische Position zu beziehen, die von der Selbstbestimmung der Native Americans sowie von der jüngeren Geschichte und der Gegenwart erzählt.
2012 startet Will Wilson sein Projekt “Critical Indigenous Photographic Exchange (CiPX)”. In Zusammenarbeit mit indigenen Gemeinschaften lädt er Nachfahren der von Edward S. Curtis Porträtierten dazu ein, von sich und ihrem Blick auf die nach wie vor lebendige Tradition der indianischen Kultur zu erzählen. Für die Fotografien, die er dabei aufnimmt, nutzt Wilson die historische Technik der Ferrotypie. Wesentlich ist dabei ein neues Verständnis seiner Rolle als Autor. Über die bildnerische Repräsentation entscheidet jetzt nicht mehr – wie einst Curtis – der Fotograf. Alle Beteiligten bestimmen selbst, in welcher Kleidung, mit welchen Attributen ihr Bild aufgenommen wird und welche Geschichten sie erzählen.
Die “Talking Tintypes” in der Ausstellung unterstreichen Wilsons Position als Künstler des 21. Jahrhunderts sowie das dialogische Prinzip des “CIPX”-Projektes. Mit einer App sind auf dem Smartphone Videosequenzen abrufbar, die persönlich erlebte Begegnungen mit den porträtierten Akteur*innen vermitteln. Bildpanoramen und Videoarbeiten aus Wilsons 2005 einsetzender Werkserie “Auto immune Response” spiegeln darüber hinaus eine gegenwärtige, indigene Position wider, die sich mit ererbtem Wissen und neuester Technologie auf Fragestellungen von globaler Dimension ausrichtet.
Materialien
Fotodateien, ein Verzeichnis der Bildunterschriften sowie Texte zur Ausstellung stehen unter https://sammlung-klein.de/kontakt/presse zur Verfügung.