Ausstellung im Arp Museum / Bahnhof Rolandseck, 26.02. – 17.09.2023.
“Im Falle von Franziska ist die RRRRReality, wie sie sagt, die volle Dröhnung. Vielleicht ist der Zugang, die RRRRReality künstlerisch eher zu verdauen, sie eher zu verschlucken, als in den Griff zu bekommen, ihre einzige Möglichkeit, der überbordenden RRRRReality standzuhalten.”
(Olga Hohmann)
Mit einem überwältigenden All-over aus Tätowierungen, Papierarbeiten, Videos, Skulpturen bis hin zu Mode verwandelt die Hamburger Künstlerin Franziska Nast (*1981) das Arp Museum in einen dynamischen Kosmos.
Museumsdirektorin Dr. Julia Wallner über die Ausstellung: “lch freue mich sehr, dass wir im Arp Museum die erste institutionelle Einzelausstellung von Franziska Nast zeigen können. Mit ihrem einnehmenden Werk an der Schnittstelle von Urban Art, Mode, Hiphop- und Tattoo-Culture sowie in der lustvoff experimentellen Auseinandersetzung mit Sprache entwirft sie einen radikal poetischen Blick auf unsere Zeit.” Ausstellungskuratorin Jutta Mattern ergänzt: “Bereits 2012 beeindruckte Franziska Nast mit der Tätowierung zweier Säulen im Richard Meier Neubau im Rahmen der Ausstellung ‘Die Eroberung der Wand’. Seitdem macht ihre künstlerische Praxis vor keinem Medium halt. Ihr komplexes Werk und ihr Leben sind aufs Engste miteinander verknüpft, alles fließt ineinander.”



Das Thema der Transformation steht im Mittelpunkt von Franziska Nasts erster großer Museumsausstellung. Empfangen werden die Besucher*innen bereits im Außenbereich mit einer Skulptur am Rhein, die einen ausgestreckten Arm wie eine Willkommensgeste zeigt. Vor dem Museumseingang findet sich dann eine Zeichnung, die sie mittels Hochdruckreiniger auf dem Asphalt eingeschrieben hat. Oben im Neubau angekommen, begegnet man den beiden von Franziska Nast in 2012 gestalteten Säulen. Diese tätowierte sie teils mit eigenen Texten und Motiven sowie mit Elementen aus dem Nautikrepertoire des legendären Tattoo-Künstlers Herbert Hoffmann (1919–2010). Seither waren diese unter einer Papierschicht ‘archiviert’ und wurden nun für die Ausstellung wieder entmantelt.
Diese bestehende und mit der Architektur des Arp Museums verbundene Arbeit bildet den Grundstein von Franziska Nasts einzigartiger Rauminszenierung. Sie kombiniert Zeichnungen, Tätowierungen auf Haut, Papier und Kunststoff, Skulpturen, Fotografien, Videos, textile und keramische Werke, Upcycling-Mode ihrer Marke Fack Fushion sowie Relikte performativer Aktionen zu einem überbordenden, materialreichen Archiv. Ihre Techniken entlehnt sie der Musik, dem radikalen Design und der sozialen Interaktion. Ihre assoziationsreiche Sprache gleicht dem zeichenhaften All-Over des Tattoos, das sie wiederholt als künstlerische Form und Ausgangspunkt wählt. Hierzu gibt Franziska Nast selbst Auskunft im Katalog: “Das Erlernen neuer Techniken hilft mir, an bestimmten Stellen Entscheidungen zu treffen oder Parallelen zu ziehen. Beispielsweise gibt es diese großen Papierelemente, die ich wie Buchseiten auffasse. Ich bin Buchgestalterin, also weiß ich, wie ich sie zu behandeln habe. Gleichzeitig verschiebt sich dadurch aber auch immer die Dimension. (…) Die Frage, wie ich Techniken transformieren kann, sodass etwas anderes, Unvorhergesehenes entsteht, bewegt mich dabei ständig.”


Innerhalb ihres künstlerischen Werkes kommt der Sprache bei Franziska Nasteine besondere Bedeutung zu. Umgangssprachen, Wort (Er-)findungen, WhatsApp-Konversationen und Textfragmente werden zu neuen und subversiven Gebilden, Sätzen und Geschichten formiert. Beeinflusst wird sie dabei von Musikstilen wie Hip-Hop und Rap, aber auch Texte der Beat-Generation etwa von William S. Burroughs und Allen Ginsberg beschäftigen sie. In der Ausstellung finden sich sprachliche Elemente auf vielen Materialien wieder und stellen die Besucher*innen vor die spielerische Aufgabe einer Entschlüsselung ihrer assoziationsreichen Botschaften.
Die Ausstellungskonzeption greift Themen wie Entwurzelung, Pflanzen als Sehnsuchtsmotiv, Architektur, Räume und Körper, Familie, Liebe und Sexualität, Geburt und Tod auf. Diese Themen, die häufig mit Franziska Nasts persönlicher Biografie verknüpft sind, finden sich gespiegelt im umfangreichen Ausstellungskatalog wieder, der als Künstlerinnenbuch selbst zum Teil der Präsentation wird. Franziska Nasts Labyrinth aus Zeichen und Verweisen eröffnet einen diskursiven Raum im Museum.
Über die Künstlerin
Franziska Nast (*1981) ist Designerin, Buchgestalterin und Bildende Künstlerin im Bereich Zeichnung und Multi-Media. Von 2003 bis 2011 studierte sie Freie Kunst und Kommunikationsdesign an der HBK Braunschweig. Sie ist Mitbegründerin des Kunstverein St. Pauli in Hamburg, mit dem sie seit 2006 experimentelle Ausstellungsformen in urbanen Kontexten erprobt. Als Schülerin und Freundin des Tätowierers Herbert Hoffmann übt sie seit 2007 das Tätowierhandwerk aus.
Ihre Werke waren u.a. im Kunsthaus Hamburg, der Kunsthalle Wilhelmshaven, der Gammle Rommen Skole in Oslo und der Weserburg in Bremen zu sehen.
Neben unterschiedlichen Residenzstipendien (u.a. 2018/2020/2021 Förderung der Hamburgischen Kulturstiftung; 2012 Stipendium des Goethe-Instituts Litauen; 2016 Nida Art Colony; 2015–2017 Hans-Günther-Baass Atelierstipendium, Hamburg; 2013 Arbeitsstipendium Hansestadt Hamburg) erhielt sie gemeinsam mit dem Kunstverein St. Pauli 2020 den Elbkulturfonds der Stadt Hamburg um die räumliche Intervention “Welt in Teilen” auf dem Heiligengeistfeld zu realisieren.
Franziska Nast lebt und arbeitet mit ihren zwei Kindern und ihrem Partner in Hamburg.
Katalog zur Ausstellung / Künstlerinnenbuch
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (488 Seiten, deutsch/englisch) in Form eines Künstlerinnenbuches, das Franziska Nast als Grafikerin und Buchgestalterin realisiert hat. Als Werk ist es innerhalb der Ausstellung zu sehen sowie für 48 Euro im Museumsshop erhältlich. Enthalten sind ein Vorwort von Julia Wallner, ein Interview von Jutta Mattern mit Franziska Nast, Texte von Meike Eiberger, Toni Gottschalk, Ulla Hiltl, Olga Hohmann, Sean Keller, Uwe Lewitzky, Lasse Eskold Nehren, Jenny Schäfer und Nora Sdun. Herausgegeben wird der Katalog von Julia Wallner und Jutta Mattern.
Zudem ist eine Vorzugsausgabe des Katalogs (60 Exemplare) mit jeweils einem nummerierten und signiertem zweifarbigen Risografie-Druck How long is too long for your dreams? (#1–4) auf Caribic rosa 250 g/m unterschiedlicher Säulen-Motive für 140 Euro erhältlich.
Des Weiteren ist zu der Ausstellung der Fanschal it/her/him/their/them/your/our/one__ self/ves mit nummerierter und signierter Ritzkantenschuberschachtel in einer Auflage von 50 Exemplaren entstanden und für 85 Euro erhältlich.